Volksdorfer Schachecke Nr. 33


Schach in Volksdorf seit 1948 (Teil 1)

von Rudolf Angeli

Welch ein ereignisreiches Jahr, drei Jahre nach Kriegsende: Auf der Londoner Sechsmächtekonferenz erfolgte eine erste bedeutende Weichenstellung in Richtung auf die geplante Etablierung eines westdeutschen Staates, große Währungsreform mit Einführung der D-Mark in den westlichen Besatzungszonen, Ludwig Erhard betrat die politische Bühne und bereitete das Deutsche Wirtschaftswunder vor. Neben dem Erscheinen erster Auflagen von Quick, Stern und Welt am Sonntag wurde das Hamburger Abendblatt gegründet und startete mit 60.000er Auflage im Oktober. Der erste Porsche lief vom Band, die erste Vinyl-Platte kam auf den Markt; die UN deklarierte die Menschenrechte.


Auch sportlich gab es zukunftsweisende Ereignisse: 1. Deutsche (Nachkriegs-)Fußballmeisterschaft, die der 1. FC Nürn-berg gewann, Olympische Winterspiele in St. Moritz, olympische Sommerspiele in London.
Und im Weltschach? Der erste Nachkriegsweltmeister wurde in einem Rundenturnier, erstmals unter Federführung des Weltschachverbandes FIDE ermittelt. Michael Botwinnik gewann das Turnier, ausgetragen in Den Haag und Moskau mit großem Vorsprung vor Smyslow und sicherte damit die Vorherrschaft des russischen Schachs für viele Jahre.


Und in Hamburg - Volksdorf?
Am 5. September 1948 fand die Gründungsversammlung des Volksdorfer Schachklubs im Waldhaus Richter, Mel-lenbergweg 9 statt. Einige Leser werden den beliebten Gasthof noch kennen, wurde er doch erst 2017 abgerissen. Zur Vereins-Gründung eingeladen hatte der 34-jährige Büroangestellte Ernst-August Linfeldt, weitere sieben Schachbegeisterte folgten der Einladung.


Die kurze Eröffnungsansprache von Linfeldt blieb erhalten: „Liebe Schachfreunde! Ich danke Ihnen für Ihr zahlreiches Erscheinen und begrüße Sie herzlichst. Wie Sie alle wissen, besteht seit geraumer Zeit eine Schacharbeitsgemeinschaft in Volksdorf, hervorgegangen aus dem Reichsbund für Körperbehinderte und Kriegshinterbliebene. Im Lauf der Zeit fanden weitere Schachfreunde den Weg zu uns. Wöchentlich einmal trafen wir uns in diesem Lokal, um unsere Kräfte im Schachspiel zu messen. Die Beteiligung der einzelnen Spieler an diesen Spielabenden war so regelmäßig, dass ich mich entschloss, den Weg zur Gründung eines Schachklubs in Volksdorf zu ebnen. Ich möchte jetzt abstimmen lassen, ob Sie mit der Gründung eines Schachklubs einverstanden sind.“     
Und so geschah es, ein Vorstand wurde gewählt, Linfeldt natürlich zum ersten 1. Vorsitzenden, der Monatsbeitrag auf DM 1,- festgelegt, eine Turnierordnung für die erste Klubmeisterschaft gleich im Herbst 48 verabschiedet.

Noch eine Besonderheit ist zu vermerken: Am 1.10. 1948 trat ein junger Mann in den Schachklub ein, der bald mit seiner Spielstärke und seiner Angriffslust von sich reden machte. Sein Name Harald Senft. Er hielt bis zum Jahr 2019 treu zum Verein, sagenhafte 71 Jahre.

Fortsetzung in Schachecke Nr. 34