Volksdorfer Schachecke Nr. 24


Auf dem Weg in die Weltspitze

von Günter Klemm

Die Zeiten, in denen ein deutscher Schachspieler in der absoluten Weltspitze mitspielte, sind schon eine Weile her. Zuletzt gelang dies Dr. Robert Hübner, der von 1971 bis 1988 durchgängig zu den zwanzig weltbesten Spielern gehörte und im Jahr 1981 sogar den dritten Rang der Weltrangliste erreichen konnte. Er kann Gewinnpartien gegen die Besten der damaligen Zeit vorweisen, beispielsweise gegen die ehemaligen Weltmeister Boris Spassky, Anatoly Karpow und Gary Kasparow. Heute ist Hübner allerdings – inzwischen 73 Jahre alt – nur noch selten am Schachbrett zu sehen.

 

Nun gibt es jedoch die begründete Hoffnung, dass in nicht allzu ferner Zukunft ein junger deutscher Nachwuchsspieler in Hübners Fußstapfen treten könnte. Es ist Vincent Keymer, ein 17-jähriges Talent aus Saulheim in Rheinland-Pfalz. Er erlernte das Schachspiel mit fünf Jahren und wurde mit der deutschen U18-Schachnationalmannschaft 2015 und 2017 Europameister.

 

Seit November 2017 wird er von dem früheren WM-Finalisten Peter Leko trainiert, was Keymers schachliche Entwicklung enorm beflügelte. So konnte er im Februar 2020 den Titel des Schachgroßmeisters erringen, was keinem Deutschen zuvor in so jungen Jahren gelang. Bei der Europameisterschaft 2021 erreichte er den zweiten Platz. Zuletzt qualifizierte er sich für die Grand-Prix-Serie 2022, wodurch er sogar die Chance erhält, in den Kreis der WM-Kandidaten zu kommen.

 

Inzwischen ist Keymer auf Platz 85 der Weltrangliste angekommen, Tendenz steigend. Dies ist umso erstaunlicher als er in den letzten Monaten mit Abiturprüfungen beschäftigt war und somit nicht so viel Zeit in das Training investieren konnte, wie die Vollprofis, mit denen er sich misst. Aber nach dem Abitur will er sich voll und ganz dem Schachspiel widmen. Dies ist eine gute Nachricht für den deutschen Schachbund, denn in den vergangenen Jahren gab es einige vielversprechende deutsche Talente, die sich für ein Studium und gegen eine Karriere als Schach-Profi entschieden haben

 

Die Chancen stehen gut, dass Keymer sich als künftiger Profi-Spieler noch weiter an die Weltspitze heranarbeiten wird. Ob er irgendwann sogar mal um den Weltmeistertitel kämpfen kann, steht natürlich noch in den Sternen, aber bei seinem Talent und seiner Bereitschaft zu hartem Training ist auch dies nicht ausgeschlossen. Bei seinem ersten Aufeinandertreffen mit Weltmeister Magnus Carlsen im klassischen Schach im Oktober 2019 unterlag er diesem erst nach großem Kampf und fast sieben Stunden Spielzeit. Damals war er jedoch erst 14 Jahre alt und er hat seitdem nochmal kräftig an Spielstärke zugelegt.

 

Es ist ihm zu wünschen, dass er seinen Weg nach oben weiter fortsetzen kann.

 

Hier eine Schachaufgabe aus einer Online-Partie des Autors dieser Zeilen.

Schwarz am Zug könnte mit Sxc1 Material gewinnen, aber es würde noch eine Weile dauern, den Vorteil zu verwerten.

Wie kann Schwarz aber in der Diagrammstellung ganz kurzen Prozess machen?