Volksdorfer Schachecke Nr. 25


Schach + Mathematik

von Rudolf Angeli

Eines der selteneren Bücher aus meiner Schachbibliothek ist das Werk Schach und Mathematik von Evgenij Jakovlevič Gik. Die russische Originalausgabe erschien im MIR Verlag, Moskau 1983. Eine spätere ins deutsche übersetzte Ausgabe Im Urania Verlag Leipzig-Jena-Berlin und letztendlich 1987 im Verlag Harri Deutsch, Frankfurt, und erhielt auch eine ISBN:
3871449873.  Das Buch ist ein Füllhorn der vielfältigen, umfangreichen und tiefen Beziehungen zwischen dem Schachspiel und der Mathematik. Mittlerweile hat sich der Begriff Schachmathematik sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag
sichert.

 

Mathematiker und Schachspieler denken in sehr ähnlichen Bahnen. Der hervorragende Mathematiker G. H. Hardy bemerkte in seinen „Bekenntnisse eines Mathematikers“, dass die Lösung eines Problems beim Schachspiel nichts anderes ist als eine mathematische Übung.      
Die meisten Schachweltmeister hatten große Ambitionen gegenüber der Mathematik gezeigt. Lasker war professioneller Mathematiker, Euwe hatte ein Rechenzentrum in Holland, Karpow war Sieger mehrerer Mathematikolympiaden, usw.    
Die Legende von der Erfindung des Schachspiels mit der unerfüllbaren Entlohnung durch jeweilige Verdopplung der Weizenkörner von Feld 1 bis Feld 64 des Schachbretts ist Allgemeingut geworden und wird stets als Beispiel erzählt, wenn es um das Aufzeigen der Wucht exponentiellen Wachstums geht.

Gik zeigt in seinem Buch die vielen verborgenen Beziehungen: im ersten Kapitel geht es um das Schachbrett mit seinen 64 Feldern; natürlich beginnt er auch mit der Erfinderlegende, dann geht es um Schnittaufgaben, also geometrische Aufgaben auf dem Brett bis hin zum Satz des Pythagoras auf dem Spielfeld. In den weiteren Kapiteln widmet er sich jeder Figur, vom Springer bis zum König und ihrer besonderen Zugmöglichkeiten und Relationen zu anderen Figuren, und stellt dazu viele mathematische, schachliche Aufgaben. Z.B.: Kann ein Springer vom Feld a1 nach h8 gelangen, wenn er jedes Feld des Brettes genau einmal betritt?
Über die Mathematik der Turniere (die komplizierten Formeln der Spieler-Ratingsysteme und Paarungstafeln bei Turnieren) gelangt Gik zum Computerschach der damaligen Zeit, in der der Mensch noch die Oberhand behielt, denn erst 1997 kam es zum Kipppunkt als Gary Kasparow gegen IBMs Deep Blue verlor. Heute sind uns die nichtmenschlichen Spielprogramme, ob Fritz oder Googles KI-gestärkte Alpha-Varianten längst enteilt. Ein Match aus diesen Jahren trug der legendäre Exweltmeister (1972) Bobby Fisher gegen ein Programm von Greenblatt aus. Fisher gewann es vorzeitig in seinem besten Stil mit 3:0. Hier eine Kostprobe:

Computer – R. Fisher (Sizilianische Verteidigung)


1. e4 c5 2. Sf3 g6 3. d4 Lg7 4. Sc3 cxd4 5. Sxd4 Sc6 6. Le3 Sf6 7. Sxc6 bxc6 8. e5 Sg8 9. f4 f6 10. exf6. Der erste selbständige Zug von Weiß in dieser Partie ist offensichtlich nicht der beste, die theoretische Fortsetzung 10. Ld4 hätte ihm einen geringen Vorteil verschafft.   
  10. … Sxf6 11. Lc4. Der zweite missglückte Zug hintereinander. 11. … d5 12. Le2. Die Maschine hat offenbar entschieden, dass der rückständige Bauer e7 die Stellung des Gegners kompromittiert.
  12. … Tb8 13. b3 Sg4 14. Ld4 e5! Nach 14. … Se3 hätte Weiß die Dame opfern können und hätte nach 15. Lxg7! Sxd1 16. Lxh8 Sxc3 17. Lxc3 eine schwer zu überwindende Stellung. Fishers Zug ist deutlich stärker.
  15. fxe5 0-0! hält den weißen König im Zentrum fest. 16. Lxg4 Dh4+ 17. g3 Dxg4 18. Dxg4 Lxg4 19. Tf1 Lf5    
und Schwarz setzte den gegnerischen König bald darauf matt. (Anm. von Gik)

 

(Zeichenerklärung: K – König, D – Dame, T – Turm, L – Läufer, S – Springer, x – schlägt, + Schach)