Volksdorfer Schachecke Nr. 27


Das Match des Jahrhunderts

von Günter Klemm

Vor 50 Jahren bewegte der Schach-Weltmeisterschaftskampf zwischen dem russischen Titelträger Boris Spasski und seinem amerikanischen Herausforderer Bobby Fischer die Welt. In jener Zeit wurde das Match von vielen nicht nur als Ringen um die Schachkrone, sondern auch als Kampf der Systeme zwischen Ost und West angesehen.

In der damaligen Sowjetunion war Schach ein Sport mit sehr hoher Reputation, welcher vom Staat stark gefördert wurde. Dies hatte zur Folge, dass die sowjetischen Spieler über Jahrzehnte das Schachspiel dominierten. Von 1948 bis zu dem genannten Titelkampf im Jahr 1972 kamen nicht nur alle Weltmeister, sondern auch deren Herausforderer aus der Sowjetunion.

Aber in jenem Jahr schaffte es der geniale Bobby Fischer, die Vormacht der sowjetischen Spieler zu durchbrechen und sich für den Titelkampf zu qualifizieren. Im Verlauf seiner Qualifikation legte er eine Siegesserie von 20 Partien gegen die weltbesten Spieler hin, eine Leistung, die nie zuvor und auch danach nie mehr erreicht wurde. So genial Fischer am Schachbrett agierte, so schwierig war er abseits des Brettes. Er stellte ständig neue Forderungen bezüglich des Weltmeisterschaftskampfes auf, und es war lange nicht klar, ob Fischer tatsächlich antreten würde.

Doch am 11. Juli 1972 begann tatsächlich das auf 24 Partien angesetzte „Match des Jahrhunderts“ in der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Der Titelkampf wurde begleitet von einem außerordentlichen medialen Interesse. Schach war auf einmal in aller Munde und Menschen, die sich zuvor nie für das königliche Spiel interessiert hatten, verfolgten das Match mit großer Aufmerksamkeit.

Fischer startete schlecht, er verlor die erste Partie durch einen groben Fehler und die zweite Partie kampflos, weil er sich von den Fernsehkameras gestört fühlte und nicht zur Partie antrat. Der Kampf stand kurz vor dem Abbruch, denn Fischer verlangte, die dritte Partie in einem Nebenraum ohne Zuschauer auszutragen. Es ist dem Titelverteidiger Boris Spasski hoch anzurechnen, dass er auf die Forderung einging und so die Fortsetzung des Kampfes ermöglichte.

In der nun folgenden dritten Partie gelang es Fischer zum ersten Mal in seinem Leben, Spasski zu schlagen. Dies war der Wendepunkt des Kampfes. Fischer spielte von da an unglaublich stark und ging mit dem Gewinn der 6. Partie in Führung. Diese Partie spielte Fischer so herausragend, dass nach ihrem Ende nicht nur die Zuschauer, sondern auch Spasski selbst dem Amerikaner applaudierten. Fischer entschied den Kampf nach 21 Partien mit 12,5 zu 8,5 Punkten für sich. Er war nun der neue Weltmeister und er hatte eine Woge der Schachbegeisterung ausgelöst.

Doch leider trug Fischer in den Folgejahren nicht zur Förderung dieses Schachbooms bei. Er spielte keine Turnierpartien mehr und er stellte für seine im Jahr 1975 angesetzte Titelverteidigung gegen Anatoli Karpow unerfüllbare Forderungen, so dass er den Titel kampflos verlor.

Im Jahr 1992 trat Fischer noch einmal zu einem Wettkampf gegen Spasski an, den er ebenfalls gewann. Da die Partien jedoch in Belgrad gespielt wurden und Fischer damit gegen das zu jener Zeit herrschende UN-Embargo gegen Jugoslawien verstieß, konnte er nicht mehr in die USA zurückkehren. Er machte danach nur noch Schlagzeilen durch antisemitische Äußerungen und wirre Verschwörungstheorien. 2008 verstarb Fischer im Alter von 64 Jahren in Reykjavik.

 

Fischers Verdienste für die Schachwelt sind trotz allem von großem Wert. Der Journalist Harold C. Schonberg brachte dies so auf den Punkt: „Es war alleine Bobby Fischer, der der Welt klargemacht hat, dass Schach auf dem höchsten Level so kompetitiv ist wie Fußball, so spannend wie ein Duell auf Leben und Tod, so ästhetisch befriedigend wie ein tolles Kunstwerk und so intellektuell ansprechend wie keine andere Form menschlicher Aktivität.“

Hier das Ende von Fischers berühmter Partie Partie gegen Pal Benko (1963).

 

Fischer ignorierte, dass sein Springer auf c3 bedroht war und spielte das erstaunliche 19.Tf6. (Der Turm kann mit Lxf6 geschlagen werden, doch darauf käme e5 mit bald folgendem Matt auf h7.) Es passierte noch 19…Kg8 20.e5 h6 21.Se2 und Schwarz gab auf, da er mindestens eine Figur verliert.

 

 

(Zeichenerklärung: K – König, D – Dame, T – Turm, L – Läufer, S – Springer, x – schlägt, + Schach)